Die Geldgeschichte des Kaiserreichs ausführlich zu behandeln, ist in diesem Rahmen unmöglich.
Die technische Revolution des 19. Jahrhunderts erforderte große Geldmengen für Investitionen, die von einzelnen Kaufleuten oder Banken allein nicht mehr aufgebracht werden konnten. Zuvor unvorstellbare Summen wurden überall auf der Welt als Kredite aufgenommen und vergeben, Jahrhundertbauwerke wurden begonnen und vollendet und neue Weltwunder geschaffen. Denken wir in diesem Zusammenhang nur an Projekte wie den Suez-Kanal oder an den Ausbau des Eisenbahnnetzes in Europa und der ganzen Welt.
Während England schon seit 1816 eine einheitliche Landeswährung auf Goldbasis eingeführt hatte, herrschten in Deutschland vor der Reichsgründung kaum überschaubare Währungsverhältnisse, die auch in der Kleinstaaterei begründet waren.
Die Reichseinigung und Einführung einer einheitlichen Währung wurde nach dem Krieg von 1870/71 gegen Frankreich endlich Realität. Dem unterlegenen Kriegsgegner Frankreich wurden 5 Milliarden Goldfrancs als Kontribution auferlegt. Dieses Geld führte im jungen Kaiserreich nicht nur zu einem enormen Wirtschaftsaufschwung, sondern war zugleich ein gutes Fundament für die Schaffung einer deutschen Goldwährung.
Zur Vereinheitlichung des Bankwesens als Grundlage für die Schaffung eines nationalen Marktes hatte der Norddeutsche Bund bereits im März 1870 ein Banknotensperrgesetz vorgesehen, nachdem die Ausweitung regionalstaatlicher Notenbanken von einem Bundesgesetz abhängig gemacht werden sollte. Aber erst nach der Reichsgründung konnte man Anfang 1872 das Gesetz nach anfänglichem Widerstand einiger süddeutscher Staaten für das ganze Reich einführen.
Da weder die nördlichen Länder ihre Taler-, noch die südlichen ihre Guldenwährungen aufgeben wollten, wurde mit den Gesetzen von 1871 und 1873 eine einheitliche Reichswährung, die Mark geschaffen. Mit der Mark erfolgte auch die Umstellung der Währung auf Gold, zuvor hatte nur das kleine Bremen eine Goldwährung gehabt.
Da zunächst noch keine Zentralnotenbank bestand, gab die Preußische Bank im Auftrag der Reichsschuldenverwaltung Reichskassenscheine als Staatspapiergeld mit Zwangskurs aus.
Preußen war der mächtigste Bundesstaat des Reichs und spielte auch bei der Neuordnung des Geldwesens eine dominierende Rolle. Die Deutsche Reichsbank ging am 1. Januar 1876 aus der schon 1765 gegründeten Königlichen Giro- und Lehnbank hervor, deren Name ab 1847 Preußische Bank lautete.
Die Reichsbank unterstand bis 1924 direkt der Reichsregierung und begleitete die Papiergeldgeschichte Deutschlands bis nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Bei Einführung des auf Mark lautenden Papiergelds gab es noch eine Vielzahl von Staatspapiergeldscheinen der verschiedenen Bundesländer, die nach und nach eingezogen und durch die Reichskassenscheine ersetzt wurden. Hinzu kamen verschiedene Noten von Privatbanken, deren Rechte man in der Folgezeit stark einschränkte. Die bisherigen Taler- und Guldenscheine wurden eingezogen und die Banken durften nur noch Noten in Mark-Währung ab 100 Mark Nennwert ausgeben,
die durch Gold oder Reichsbanknoten gedeckt sein mussten. Die gesetzliche Begünstigung der Reichsbank gegenüber den Länderbanken führte schließlich dazu, dass deren Anzahl ständig abnahm. Bis 1906 verfügten von den vormals 32 privaten Notenbanken nur noch die vier großen Ländernotenbanken von Baden, Bayern, Sachsen und Württemberg über ihr Notenprivileg, das schließlich erst mit Kündigung durch das Reichswirtschaftsministerium zum 1.1.1935 erlosch.
Lange Zeit gab es in verschiedenen deutschen Ländern Kritik an der Währungspolitik der Reichsbank. In Preußen und Bayern war die Ausgabe von Papiergeld seit Jahrzehnten konservativ und maßvoll. Doch die Zurückhaltung der dortigen Notenbanken eröffnete den kleineren Ländern ein immenses Geschäftspotential, was letztlich der Währungsstabilität abträglich war. Verständlich ist, dass die Reichsbank dieser Entwicklung mit allen Mitteln entgegentrat.
Was die Deckung der Reichsbanknoten anging, so erfolgte diese nicht zu 100% in Gold. Die Reichsbank war verpflichtet, ihre ausgegebenen Noten nur zu einem Drittel des Betrags in kursfähigem deutschen Geld, Reichskassenscheinen, in Goldbarren oder ausländischen Münzen zu decken. Die verbleibenden beiden Drittel waren durch diskontierte Wechsel gedeckt. Reichsbanknoten mussten, das ist auch der ursprüngliche Sinn der Banknote als Zahlungsversprechen, falls gewünscht ohne Legitimationsprüfung bei der Reichsbank in Berlin in Goldmünzen ausgezahlt werden. Erst zum 1.1.1910 erhielten ja die Reichsbanknoten den Status von vollwertigen Zahlungsmitteln, die von jedermann anzunehmen waren.
Vor 1906 durfte auch die Reichsbank lediglich Banknoten in Wertstufen ab 100 Mark ausgeben. Deshalb kursierten zusätzlich zu den Reichsbanknoten die schon erwähnten Reichskassenscheine in kleineren Nennwerten, die der Reichskanzler nach Gesetz von 1874 in Höhe von 120 Millionen Mark (aufgeteilt nach Einwohnerzahlen der 22 deutschen Bundesstaaten) herstellen lassen konnte. Diese Summe entsprach dem Betrag, der im Reichskriegsschatz zinslos aufbewahrt wurde. Zugleich durfte das Reichspapiergeld in dem Maße ausgegeben werden, wie das alte Staatspapiergeld der deutschen Länder eingezogen wurde.
Nachdem die Reichsbank ab 1906 auch Reichsbanknoten zu 20 und 50 Mark in Umlauf gab, wurde die Ausgabe von Reichskassenscheinen auf Nennwerte zu 5 und 10 Mark beschränkt.
Die Bevölkerung hatte sich schon vor 1900 längst an die Geldscheine der Reichsbank gewöhnt und vertraute diesem „stoffwertlosen“ Geld wie den Goldstücken selbst. Auch in vielen anderen Staaten hatte zu dieser Zeit die Banknote längst ihren Siegeszug im Geldverkehr angetreten.
Ab 1900 versuchte die Reichsbank zunehmend, die umlaufenden Goldmünzen einzubehalten. Die Konzentration des Goldschatzes in Reichsbanktresoren hatte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Gründe. Im Falle eines Krieges musste man, um Waren und Rohstoffe im Ausland kaufen zu können, unbedingt „Bares“ in Form von Barren- oder Münzgold zur Verfügung haben.
Um die Jahrhundertwende hatte sich das Volumen des umlaufenden Geldes bereits beachtlich vergrößert, Einkommen und Preise waren mit dem Wirtschaftswachstum im Kaiserreich erheblich gestiegen und Reichsbanknoten und Reichskassenscheine bestimmten längst den Zahlungsverkehr. Zugleich nahm auch das Giral- oder Buchgeld zu. Man führte auch im Kaiserreich und lange davor bereits Konten, gab Schecks und Wechsel aus, und sogar telegrafische Geldanweisungen wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts üblich.
Ab dem 31. Juli 1914, dem Tag der Erklärung des „Zustandes der drohenden Kriegsgefahr“, wurde durch die Reichsbank die Einlösung der Reichsbanknoten in Gold eingestellt. Nur wenige Tage später bildete man die Darlehnskasse, die die Reichsbank entlasten und die erhöhten privaten sowie kommunalen und staatlichen Kreditanfragen befriedigen sollte. Die Filialen der Darlehnskasse, die den Reichsbankstellen angeschlossen waren, gaben Darlehnskassenscheine an die Reichsbank und erhielten dafür Banknoten, mit denen Kredite gewährt werden konnten.
Die Darlehnskassenscheine wurden von der Reichsbank mit zur Deckung der in Umlauf befindlichen Noten genutzt, aber auch in den Zahlungsverkehr gegeben.
Der Nachteil dieser Form der Geldschöpfung zeigte sich jedoch bald in einer steigenden Überfüllung des Zahlungsverkehrs mit Zahlungsmitteln, was ursächlich auch die beginnende Entwertung der Mark während des Ersten Weltkriegs mit verursachte. Hinzu kam, dass ab Mitte des Krieges Kriegsanleihen und andere Staatspapiere den Hauptteil der Deckung ausmachten und damit die Darlehnskassenscheine immer mehr zu reinen staatlichen Zahlungsversprechen wurden, die als uneinlösliches Papiergeld staatlichem Zwangskurs unterlagen und deshalb von allen staatlichen Kassen in Zahlung genommen wurden. Zwar waren die Darlehnskassenscheine kein gesetzliches Zahlungsmittel, sie kursierten aber dennoch in großen Mengen in der Bevölkerung, da ihre kleinen Nennwerte ab 1 Mark eine wichtige Rolle im Einzelhandel spielten.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war nicht nur in Deutschland die Zeit der Goldwährungen vorbei. Die meisten National- und Zentralbanken gaben keine Goldmünzen mehr aus und hoben die Einlösungspflicht für Banknoten in Gold auf.
Es begann nun endgültig das Zeitalter des Papiergelds, allerdings unter schlechten Vorzeichen. Die Goldmünzen verschwanden sehr schnell aus dem Geldverkehr, wurden von der Reichsbank eingezogen aber auch privat gehortet. Schließlich wurden auch Silbermünzen und sogar Münzen aus unedlen Metallen knapp. Wer konnte, hortete nun auch das Silbergeld, denn Silber hatte im Gegensatz zu Papier ja immerhin noch einen Materialwert. Die Ausprägung von Goldmünzen im Reich wurde 1915 endgültig eingestellt, während Silbermünzen noch bis 1919 weiter geprägt wurden, zum Teil gleich von der Münzstätte geschwärzt, in der trügerischen Hoffnung, die Bevölkerung würde diese dann nicht zurückbehalten. Der allgemeine Kleingeldmangel wurde so schlimm, dass es während des Ersten Weltkriegs zu einer Vielzahl von lokalen Notgeldausgaben kam, auf die noch später eingegangen werden soll.
Hans-Ludwig Grabowski
Abb. Battenberg Gietl Verlag, Bildarchiv